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Westfälische Nachrichten - 20.03.2003

Heimat, die ich meine?

Sieht so Afrika aus? Die jungen Flüchtlinge, die im Hamburger Ensemble Hajusom Theater spielen, glauben nicht mehr so recht daran.

Hinter einer Zeltwand tanzt ein Regenmacher. Seine Kinder von der Hamburger Theatertruppe Hajusom schauen ihm zu. Als neugieriges Publikum ihrer eigenen Traditionen betrachten sie staunend dieses Schattenspiel ihrer Vorfahren. Die Schauspieler werden zu Beobachtern. Und die jungen Afrikaner wissen: Es ist der passive Blick zurück auf eine längst verlorene Welt. Auf eine Welt dörflicher Tradition, die ihnen ebenso fremd und fern ist wie uns, den Zuschauern.

Mit diesem ungewöhnlichen Perspektivwechsel beginnt im Pumpenhaus die Geschichte Die Kinder der Regenmacher, die doch viel mehr ist als die Geschichte des Schlangentöters Mamadi und seiner zwei rivalisierenden Frauen aus der Feder des tansanischen Autors Aniceti Kitereza. Es ist die ebenso kritische wie ironische Auseinandersetzung entwurzelter Nomaden mit ihrer eigenen Herkunft. Da sind die Brüche vorprogrammiert. Und sie werden lustvoll ausgespielt.

Während die afrikanischen Jugendlichen in die fremde Welt ihrer Vorfahren eintauchen, auf den Spuren ihrer vermeintlichen Identität, dokumentieren und kommentieren die anderen Hajusom-Mitglieder aus dem Iran und aus Afghanistan das Geschehen als Reporterteam, das das afrikanische Leben für ein sehr fernes Fernseh-Publikum ins mehr oder weniger klischeebefrachtete Licht rückt, das wenig an gängigen Vorurteilen rüttelt:

Essen Sie Menschenfleisch?, fragt ein Reporter, bevor ein anderer Journalist etwas vom vielbeschworenen Rhythmus im Blut stammelt. Mit Kamera und Mikrofon folgen sie zunächst von außen neugierig allem, was die Schwarzen ihnen präsentieren. Bis sich auch diese Grenzen auflösen und auch das Journalistenteam sich dem Verwirrspiel um hybride Identitäten nicht länger entziehen kann.

Die Regie von Dorothea Reinicke und der Ex-Münsteranerin Ella Huck verknüpft die vielfach gebrochenen Erzählebenen im nomadischen Zeltlager mit reichlich eingestreuter Ironie und jeder Menge Tanz. Eine Brautschau, bei der auch ein männlicher Bewerber mit Wäscheklammer-Ohrclips wie auf dem Catwalk stolziert, ein Löwenkopf als Fußball und ein Koch, der aus der Zubereitung des abschließenden Versöhnungsmahls eine quietschige Show macht auf der Bühne entsteht nach und nach eine ideale Traumwelt ohne Grenzen. Eine mobile Ersatzwelt für moderen Nomaden, die den Entwurzelten eine neue Identität gibt.

Diese identitätsstiftende Traumwelt gipfelt beim spektakulären Stampf-Rap in einem Schlauchboot, in dem aus Flensburger und einer Kiste Bananen Bananenbier gebraut wird. Und der Dokumentar-Film des Kameramanns? Der wird zum Schluss versteigert. Im Publikum. Für 15 Euro.

Markus Küper

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Westfälische Nachrichten - 20.03.2003: Heimat, die ich meine