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taz - 07.06.2002

Vor dem Altar
Spielshow mit jugendlichen Flüchtlingen: "Traumhochzeit E 44" - die neue Produktion von Hajusom!

"E" heißt Einwohner-Zentralamt. Während viele HamburgerInnen dieses Amt von Bußgeld-, Beglaubigungs- oder Ausweisangelegenheiten her kennen, haben es Menschen ohne deutschen Pass mit Abteilungen zu tun, die sich mit "Ausländerangelegenheiten" befassen. E 44 ist eine solche Abteilung - "44" steht für "Abschiebung".

Der Großteil der jungen DarstellerInnen des Theater-Projektes Hajusom!, die aus westafrikanischen Staaten, Afghanistan und dem Iran kommen, verbindet mit dem Kürzel die Erfahrung, dass es nahezu aussichtslos ist, in der BRD einen Aufenthaltsstatus zu erlangen. Dem trägt das Stück Traumhochzeit E 44 Rechnung, indem die Eheschließung mit Deutschen aus all den wenigen Möglichkeiten zu bleiben, herausgegriffen und bis zum Altar durchgespielt wird.

Die Moderation der "deutschen weißen Hochzeit" im Spielshow-Format übernehmen die künstlerischen LeiterInnen Dorothea Reinicke, Ella Huck, Claude Jansen und Jochen Roller. Sie (Erwachsene mit deutschem Pass) führen durch die Show, befragen die KandidatInnen (fast alle minderjährige unbegleitete Flüchtlinge) nach ihren Fähigkeiten, ihren Meinungen, ihrem Wissen. Die KandidatInnen werden vorgeführt, führen sich selbst vor, preisen sich an, wetteifern miteinander um die Gunst des Publikums und wollen sich von ihrer besten Seite zeigen.

Es ist Programm, dass diese marktschreierische Zurschaustellung beim Publikum ein mindestens mulmiges Gefühl hinterlässt. Wer sich darüber aufregen möchte, wende sich am besten an die GesetzgeberInnen, die aus den Lebensverhältnissen binationaler Paare ohne europäischen Hintergrund einen Ausforschungs-Jahrmarkt der Integrierfähigkeit gemacht haben (§ 9 StAG).

Am Anfang nur durch irrelevante Applausquoten einbezogen, lüftet sich für das Publikum bald der Vorhang des Beteiligtseins, wenn es darum geht, heiratswillige und vor allem: heiratsfähige PartnerInnen für die SiegerInnen zu finden. Der deutsche Pass ist ein Muss, kochenkönnen, Demutsfähigkeit, geographische Kenntnisse oder gute Zähne sind von Vorteil und werden unerbittlich überprüft. Zum Schluss wird geheiratet. Wie sich die Paare zusammensetzen, bleibt den DarstellerInnen überlassen und wird dadurch kurzfristig dem entzogen, was sonst "im Ermessen der Einbürgerungsbehörde" liegt.

Anette Kretzer

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taz - 07.06.2002: Vor dem Altar