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Citimag - 03.2004

Claude Jansen interviewed

"Spiel und verlasse deine alte Rollen, revoltiere gegen die herrschende Ordnung und erobere neue Räume!"

So lautet sinngemäß übersetzt der Titel des internationalen Jugendtheaterfestivals "Play Mas". Claude Jansen gehört zur künstlerischen Leitung der Hamburger Theatergruppe Hajusom!, die ihr Stück "Die Kinder der Regenmacher" zeigt.

citymag: Frau Jansen, wie würden Sie heute kulturelle Identität beschreiben?
 
Claude Jansen: Das ist eine große Frage. Das hat ganz viel mit der historischen Bindung zu tun. Für einen Afrikaner ist eine kulturelle Identität was ganz anderes, weil er mit einer Geschichte der Kolonialzeit verbunden ist und deswegen ein anderes Bewusstsein dafür hat. In der westlichen Welt ist es wiederum anders dadurch, dass in Europa oder Amerika in stärker gemischt strukturierten Gesellschaften leben, was sich natürlich auf die kulturelle Identität auswirkt. Das ist auch etwas, womit wir uns bei "Die Kinder der Regenmacher" beschäftigen.
 
Wie entsteht unter diesen Bedingungen eine kulturelle Identität?

Indem man die Menschen darin ermutigt, dass eine kulturelle Identität keine rein an die Nationalität angebundene Identität mehr ist, sondern eine offene, die man selber entwickeln kann.
 
Was bedeutet das alles für die Kunst, die Hajusom! produziert, wie geht die Gruppe mit diesen Brüchen um?

Indem sie die Brüche immer ausstellt. Wir schaffen kein glattes Bild, sondern arbeiten genau damit.
 
Das hört sich sehr nach sozialpädagogischer Arbeit an.

Nein, ganz und gar nicht. Ella Huck, Dorothea Reinicke und ich sind für die künstlerische Leitung verantwortlich. Wir kommen alle aus der reinen Kunst und hatten vorher überhaupt nichts mit Flüchtlingsproblematiken zu tun. Wir waren ziemlich überrascht und schockiert, Schicksale und Menschengeschichten zu erfahren, wie wir sie vorher nicht kannten. Wir haben mit Kindersoldaten und kriegstraumarisierten Kindern zu tun. Wir glaubten, durch diese Arbeit auch ein Forum für eine große politische Wirksamkeit zu schaffen. Besonders in anschließenden Gesprächen mit dem Publikum waren die Jugendlichen dann aber immer, immer, immer nur Flüchtlinge. Die waren nie was anderes. Sie selbst haben sich irgendwann geweigert und gesagt: Wir wollen das nicht mehr. Da begannen wir, Stücke zu entwickeln, die auch andere Themen bearbeiten, offene Themen. Dennoch haben wir auch weiterhin den Konflikt, dass wir auch politisch arbeiten wollen. Wir müssen diesen kleinen Balanceakt immer wieder hinkriegen.
 
Wo genau bricht die aktuelle Produktion aus diesem Kreislauf aus?

Indem es ganz kleine Nebenschauplätze gibt, in denen subtil darauf aufmerksam gemacht wird, dass es keine in Geborgenheit aufgewachsenen Jugendliche sind, die da auf der Bühne stehen.

Jürgen Wittner

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Citimag - 03.2004: Claude Jansen interviewed