Die Kinder der Mischkultur
Seit drei Jahren arbeiten professionelle Künstlerinnen und jugendliche Flüchtlinge an dem preisgekrönten Theaterprojekt HAJUSOM! Am 11. Dezember feiert die neue Inszenierung "Die Kinder der Regenmacher" Premiere auf Kampnagel. "Ihr stellt euch alle vor, wie ihr eure Heimat verlasst und in ein großes Boot steigt. Ihr seid allein. Dann kommt ihr auf dieser Insel an und kennt euch nicht, ihr seid vollkommen fremd." Die Schauspielerin Ella Huck erklärt einer Gruppe von Teenagern zwischen 15 und 17 die Ausgangssituation ihres neuen Theaterstückes. Die jugendlichen schließen die Augen und hören zu. Es fällt ihnen nicht schwer zu spielen - das Gefühl, allein in der Fremde anzukommen, kennen sie gut. Die 14 Darsteller des interkulturellen Theaterprojektes HAJUSOM! sind allesamt ohne Angehörige aus ihren Heimatländern in Westafrika, Afghanistan oder dem Iran geflohen - um Krieg, Hunger oder Missbrauch zu entkommen.
"Unsere Zusammenarbeit ist künstlerisch professionell, das gibt den Jugendlichen Selbstbewusstsein und das Gefühl, ernst genommen zu werden", sagt Claude Jansen. Neben Ella Huck und Dorothea Reinicke leitet sie das Theaterprojekt. In der großen Aula der ehemaligen Erstversorgungseinrichtung Langenhorn proben sie regelmäßig: Seit dem Regierungswechsel in Hamburg steht die Einrichtung leer, denn offenbar kommen weniger jugendliche Flüchtlinge nach Hamburg. Und wenn Minderjährige eintreffen, werden sie ab 16 Jahren bereits in die Unterbringungen der Erwachsenen gesteckt: "Das ist natürlich fatal, da fehlt die Betreuung und sie brauchen das geschützte Umfeld mit Gleichaltrigen", sagt Claude Jansen.
HAJUSOM steht für die Anfangsbuchstaben der Gründungsmitglieder Hatice aus Kurdistan, Jusef aus Afghanistan und Omid aus dem Iran. Anfang 1999 starteten Ella Huck und Dorothea Reinicke mit ihnen das Projekt, ihr erstes Stück HAJUSOM! hatte im Mai 1999 im Schlachthof Premiere. Später kam Claude Jansen als Musikdramaturgin hinzu. Mit der Aufführung von ,7 Leben', einem Stück über Identitätskonflikte, gewannen sie den Bundespreis der Berliner Festspiele 2001. In der neuen Inszenierung interpretieren junge westafrikanische Flüchtlinge ein altes afrikanisches Märchen nach der Vorlage des Romans "Die Kinder der Regenmacher" von Aniceti Kitereza. Dabei beobachtet sie auf der Bühne ein Forscherteam mit Kamera und Fotoapparat, gespielt von Jugendlichen aus dem Iran und Afghanistan. Das Verhältnis von Beobachtern und Beobachteten wird zu einem wechselseitigen - und allmählich stellen alle Figuren fest, dass sie von einer Mischkultur geprägt sind.
Nicole Trötzer